Ein alternativer Umgang mit der Sprache, mit dem Lesen und mit dem Schreiben
An der Tagesschule Oberglatt, Schweiz wird Moodle seit vielen Jahren in verschiedenen Fächern eingesetzt. Die Präsentation wird sich auf den Einsatz von Moodle im Sprachunterricht mit lernschwachen oder verhaltensauffälligen Schülern in Fach Deutsch (als Mutter oder Fremdsprache) bzw. Englisch als Fremdsprache beziehen.
An unserer Schule wurden zahlreiche Übungen (Memorys, Wort- und Satzaufbau-Übungen) für Moodle entwickelt und erfolgreich eingesetzt. Wir stützen uns bei der Entwicklung der Moodle-Kurse und Übungen auf einen Ansatz, der in Australien im Rahmen der Funktionalen Linguistik entwickelt wurde. Dieser Ansatz wird kurz vorgestellt und die entwickelten Moodle-Kurse werden präsentiert. Die Software ist frei zugänglich und wird auch an anderen Schulen eingesetzt. Die Präsentation erfolgt in englischer oder deutscher Sprache.
Teil 1 (7 Min.) – Demonstrationder Wortspiele und angepasster Hot-Potatoes: Die Spiele gehören idealerweise zu einem bestimmten Thema, zum Beispiel 'Die Zuckerfabrik', 'Der Weg eines Briefes' oder, wie im präsentierten Beispiel der Film für Englischlerner "Extra". Die Übungen sind aber für praktisch alle Fächer geeignet und können entsprechend angepasst werden. Die Beispielaufgaben basieren auf Moodle v1.9.15. Die vorgeführte Beispielübungen beziehen sich auf den Lernfilm für Englisch als Fremdsprache "Extra", der für Sekondarschüler und junge Erwachsener geeignet ist.
Teil 2 ( 13 Min.) Theoretischer Hintergrund: Die vorliegenden Übungen wurden auf Grundlage des Modelles "Reading to Learn" der Sydney School und anderen auf der Systemisch Funktionalen Grammatik von Michael Halliday basierenden Ansätzen entwickelt.
Ein Hauptgedanke bei diesen Modellen ist, dass jede sprachliche Äusserung in einem situativen Kontext stattfindet, ohne den sie gar nicht richtig verstanden werden kann. Das Kind lernt Sprache nur durch das Erleben der Sprache im situativen Kontext (vgl. Halliday „Learning how to mean“, 1977 und W.v.Humbolt, 1820). Auch das Lesen und Schreiben wird danach am besten von der Bedeutung eines Textes im Kontext der Situation verstanden, auf die er sich bezieht. Gute Schreib- und Leselerner haben in der Regel mit ihren Eltern schon so viele Bücher gelesen, ohne schon selbst eigentlich lesen zu können, dass sie verstanden haben, in welchem Verhältnis gesprochene und geschriebene Sprache zueinander stehen. Schwächere Schüler kommen dagegen oft ohne diese Wissen in die Schule, wo sie dann scheinbar von untern, also von den Buchstaben zu den Worten und Sätzen, Texte verstehen sollen, was sie vor nicht geringe Schwierigkeiten stellt.
'Reading to Learn' beginnt deshalb immer bei der Bedeutung eines Textes und schreiten dann zu den darunter liegenden Einheiten Satz, funktionale Wortgruppe, Silbe und schliesslich den Buchstaben voran. Auf diese Weise ist gewährleistet, dass das Kind die Sätze und Wörter auch im Zusammenhang versteht.
Der vorliegende Ansatz zum Lernen im Bereich des Zweitspracherwerbs ergänzt das Konzept von Reading to Learn mit selbst entwickelten Methoden des computerunterstützten Lernens und setzt dabei den Sprachlernfilm "Extra" ein.
Die Schüler sehen zunächst eine Folge von Extra, wobei sie zahlreiche Szenen aus der Situation heraus verstehen, ohne schon alle Sätze zu verstehen. Sie erhalten aber so einen Zusammenhang, in dem sie die folgenden Aufgaben stellen können.
Nun wird ein kurzer Ausschnitt aus dem Filmskript vorgelesen. Mittels einfacher Wortspiele (z.B. Memory) werden funktionale Wortgruppen identifiziert und auch in der Regel grafisch dargestellt. Direkte schriftliche Übersetzungen werden wenn möglich vermiedet. Die Lerner können diese Wortgruppen dann in Fotokopien des Textes auffinden und unterstreichen, egal ob sie zu diesem Zeitpunkt den ganzen Text selber lesen können oder nicht. Sie finden kleine Einheiten von 'Bedeutung' und diese werden später zusammen gebunden. (Deconstructing Text)
Die behandelten Sätze werden, wenn möglich mit einer Frage versehen, die sich auf die Geschichte bezieht (z.B. Block 1 - „Who is the story about?“). Anschliessend versuchen die Lerner einen kompletten Antwortsatz aus den geübten 'Bausteinen' zusammenzufassen. Die 'Hot-Potatoes' Software bietet eine abspielbare Aufnahme an, um diese Aufgabe zu erleichtern und mit dem Gesprochenen zu verbinden. Die Übungen sind von 'oben nach unten' gestuft, schreiten also vom Satz, zur Wortgruppe und Buchstaben voran. (Reconstruction)
Wenn die Lerner diese Übungen einige Male erfolgreich bearbeitet haben, dürfen sie den Satz allein und aus Erinnerung selber schreiben. Dies erfolgt hier in einem 'Moodle Wiki' und dient als Anfang eines ganzen Textes. Der Text kann im Wiki nachträglich und zu jeder Zeit bearbeitet und verbessert werden. (Independant writing)
Weitere Sätze sind auch jeweils mit einer Frage verbunden und werden auf ähnliche Weise verarbeitet. Das ganze Verfahren kann beliebig wiederholt werden bis die Lerner alle Rechtschreibung- und Strukturfehler selber behoben haben. Der Zyklus bewegt sich auf natürliche Lernweise immer von der Bedeutung im Kontext (siehe Diagramm) zur orthographischen Realisierung der Bedeutung im Text.
Die Übungen in Moodle stellen eine sinnvolle Ergänzung des Unterrichts dar, mit dessen Hilfe die Schüler im Lernprozess selbständig arbeiten können.
Halliday, M.A.K., 1977 - „Learning how to mean“, Language in Society, 6 : pp 114-118 , Cambridge University Press
Humboldt, Wilhelm von, 1820 - ""Es gibt nichts Einzelnes in der Sprache, jedes ihrer Elemente kündigt sich nur als Teil eines Ganzen an". Über das vergleichende Sprachstudium in Beziehung auf die verschiedenen Epochen der Sprachentwickelung. [Berliner Akademie der Wissenschaften, 29.6.1820]. Abgedr.: Humboldt 1963:1-25.